Karnevalisten bliesen trotz Dauerregen zum Sturm auf das Rathaus von Hermann-Josef Esser - Schüsse aus der „Möckeflitsch“ zeigten erst spät Wirkung – Und die weiße Kapitulationsflagge wurde schon wieder stibitzt
Kall - Ergeben wollte sich Bürgermeister Hermann-Josef Esser beim Rathaussturm am Weiberdonnerstag auf keinen Fall, und deshalb riet er der, mit der Kanone „Möckeflitsch“ bewaffneten Prinzengarde des KV „Löstige Bröder“ wieder nach Hause zu gehen. Denn kurz hatte Esser den ersten Schuss aus der „Möckeflitsch“ als „Pupser“ bezeichnet. „Da hat wohl einen zu viel Erbsensuppe gegessen“, spottete der Bürgermeister vom Fenster des Ersatz-Rathauses an der alten Post herab. Doch aller Widerstand war zwecklos, am Ende wurde der Rathaus-Chef von der Prinzengarde in Handschellen gelegt und aus dem Verwaltungsgebäude geführt.
Vom Gasthaus Gier aus war der Karnevalsverein „Löstige Bröder“ unter Begleitung der Musikkapelle Kall zum Rathaus-Nebengebäude an der ehemaligen Post gezogen. Mit dabei das Dreigestirn, die Jugendprinzessin, die Rotröcke, die Prinzengarde, die Nachwuchs-Garde „Musketiere“, die Kallbachmücken und die Möhnen, die bei keinem Kaller Rathaussturm fehlen dürfen.
Am Ort der Erstürmung angekommen konnten die Löstige Bröder sich der Unterstützung ihrer Kollegen aus den Nachbarorten sicher sein. Die Vorstände und Tollitäten der KG „Kinderkarneval Sistig“, der „Süetenicher Schlipse“ aus Sötenich, der „Jecke vom Hahnebömsche“ aus Scheven und die „Jecke Krohe“ aus Wahlen, die in diesem Jahr ohne Tollitäten feiern. Mit dabei war auch das Dreigestirn der St. Nikolaus-Förderschule, um den Jecken aus dem Kaller Gemeindegebiet beim Vertreiben des Bürgermeisters aus seinem Beamtenbunker Hilfestellung zu leisten.
Das dies klappen würde, drohte Erik Hensch von den Sötenicher Karnevalisten dem Bürgermeister an. Die Schlipse hätten ein paar Sötenicher in die Verwaltung eingeschleust, die Esser notfalls runterwerfen würden. Doch Esser und dessen Mitarbeiter, die das Geschehen an den Fenstern der oberen Etage verfolgten, zeigten sich wehrhaft und einer Belagerung der Verwaltung gewachsen: „Ihr könnt uns so lange belagern wie ihr wollt, wir haben Lebensmittel in fester und flüssiger Form für eine ganze Woche“, so der Bürgermeister.
Während des Sturmes auf den Beamtenbunker herrschte Dauerregen. Für das schlechte Wetter machte Jungfrau Markus vom Kaller Dreigestirns den Bürgermeister verantwortlich, und er spottete: „Nicht mal das kriegst Du hin“.
Bevor die Prinzengarde dann ihre „Möckeflitsch“ zum Sturm auf den Beamtenbunker in Stellung brachte, legten die Kallbachmücken einen flotten Tanz auf den Asphalt des alten Posthofes.
Nachdem alle Appelle an Esser, sich zu ergeben, erfolglos geblieben waren, gab Löstige-Bröder-Chefin Simone Saßmann der Prinzengarde das Kommando „Feuer frei“. Doch der erste Schuss aus der Kanone Möckeflitsch“ war dann tatsächlich nur ein Pupser. Doch dann fütterte Kanonier Ron Chytry die Kanone mit stärkerer Munition. Über den zweiten Schuss lachte Esser, weil das Gebäude nur einen Kratzer abbekommen habe. Nach dem dritten Schuss sah er seinen Amtssitz allerdings in Gefahr, und er schwenkte die weiße Flagge, die er erst wenige Tage zuvor gegen eine Spende für den Karnevalsverein ausgelöst hatte, nachdem sie im vergangenen Jahr von Ina Teuber stibitzt worden war. „Das passiert in diesem Jahr nicht mehr“, verkündete der Bürgermeister lauthals: „Die wird gut überwacht“.
Von Gardisten wurde der Bürgermeister, im Bauern-Outfit mit gelben Gummistiefeln, in Handschellen gelegt und aus dem Gebäude geführt. Von den Handschellen befreit zeigte sich Hermann-Josef Esser als fairer Verlierer. Er verteilte Orden und griff selbst zum Tablett, um die Kaller Möhnen, die zuvor trotz Dauerregen ihren obligatorischen Möhnentanz gezeigt hatten, mit leckerem Wein zu versorgen.
Die letzten Schüsse der Kanonen waren noch nicht ganz verhallt, da gab es für das Rathaus-Team ein erneuter Schock. Essers Mannschaft, die die weiße Fahne vor einer erneuten Entführung schützen sollte, hatte kläglich versagt. Denn plötzlich waren es Ina Teuber und Lara Blatt, die auf dem Vorplatz der alten Post die vermeintlich gut bewachte Flagge als Siegestrophäe schwenkten. Esser wird sie nun vor dem Rathaussturm im nächsten Jahr erneut auslösen müssen.
(Reiner Züll)
(Reiner Züll)